Fall Nr. 459

 

Der verweigerte Handschlag

Stufe: Sekundarstufe I
Bewegungsfeld: Bewegen an Geräten
Textsorte: Didaktischer Text

Fallbeschreibung:

Situierung:
Es handelt sich um eine 9. Mischklasse Real und Sek Kanton Bern bestehend aus 10 Mädchen und 8 Jungs. Doppellektion von 15.45-17.15. Die Sportlehrkraft unterrichtet nur Sport an dieser Klasse.

a)
Alle Schülerinnen und Schüler (SuS) betreten die Turnhalle, deponieren ihre Wertgegenstände und setzen sich wie üblich in den Kreis. A. betritt als Letzte die Halle. Zwar pünktlich, jedoch auf den letzten Zacken reicht es ihr gerade noch, ihre Wertsachen zu deponieren und während des In-den-Kreis-Laufens die Haare zusammenzubinden. Die Lehrkraft (LK) beginnt den Unterricht noch bevor sie sich hingesetzt hat damit, die SuS zu begrüssen und den Ablauf der Lektion zu erklären. Einige SuS binden sich währenddessen noch die Schuhe oder flüstern einander etwas zu.

b)
Zum Aufwärmen wird ein Schnappball in drei 6er-Gruppen auf einem Spielfeld gespielt. Während je 4 Minuten treten je 2 Teams gegeneinander an. Das dritte Team sitzt am Rand und schaut zu. Während der ersten Partie spielen die SuS schon ziemlich engagiert. Ausser A. bewegen sich alle. Sie laufen sich frei, bieten sich an. Während der zweiten Partie stellt die LK fest, dass A.’s Haare offen sind. Gleichzeitig stellt sie beim genaueren Hinschauen fest, dass A. auch noch eine feine Goldkette unter dem T-Shirt um den Hals trägt. Vor der ganzen Klasse ermahnt die LK A., die Haare wieder zusammenzubinden und den Halsschmuck abzulegen. Mit einem knappen „Klar!“ geht sie der Aufforderung nach. Die LK merkt nicht, dass A. nicht sonderlich gut drauf ist. Während der letzten Partie sitzt sie mit ihrem Team auf der Bank und lacht die SuS aus, welche einen Fang- oder Passfehler im Spiel machen. Die LK reagiert nicht.

c)
Nachdem das Miniturnier abgeschlossen ist, rennen die drei 6er-Teams Tic-Tac-Toe-Stafetten. Es herrscht eine ausgelassene Stimmung. Die Rennenden geben Vollgas und werden dabei von ihren Teams lautstark angefeuert und darauf hingewiesen, in welches Feld sie das Hütchen legen sollen. Während dem zweiten Durchgang fällt auf, dass A. gar nicht rannte. Nachdem sich die Teams neu organisiert hatten und kurz bevor das Kommando für die letzte Stafette gegeben wird, mahnt die LK dazu, dass alle Mitglieder der Teams rennen müssten. A. begriff sofort. Schliesslich rannte sie auch wieder mit.

d)
Aus Zeitknappheit fiel das eingeplante Dehnen und kurze Kräftigen aus. Stattdessen wird umgehend die Gerätelandschaft eingerichtet.

e)
Nach dem Aufstellen der Gerätelandschaft mit je zwei Reck, Stufenbarren, Bodenbahnen und Ringen sowie einer Jonglage- und Volleyballecke zeigte die LK kurz vor, was an den Geräten primär zu üben ist. Mühlumschwung mit Hilfestellung und Sichern am Reck, korrekte Rolle vorwärts, Schwingen mit halben Drehungen und Niedersprung auf die Matte an den Ringen. Das Programm fürs Volleyball und die Jonglage war den SuS bereits aus vergangenen Lektionen bekannt. Wichtig war, dass alle SuS einmal am Reck die Vorwärtsrotation mit Hilfe und Sichern durchführten. Aus diesem Grund behielt die LK alle SuS bei sich und liess sie erst an die anderen Posten, als sie bei ihm vorgeturnt hatten.

f)
Wer das Reck hinter sich brachte, ging nun an die anderen Geräte. Immer wieder kamen jedoch SuS bei der LK vorbei und fragten nach, ob sie einmal am Boden oder an den Ringen vorbei kommen könne, um die Elemente nochmals zu zeigen. Die LK vertröstete auf später. Sie müsse zuerst alle Mühlumschwünge abnehmen. Mit einer Ausnahme versuchten es alle. A. versicherte zwei Mal, dass sie sich vor dem Mühlumschwung fürchte. Auch die aufmunternden Mut-Zusprachen ihrer besten Freundinnen halfen nix. Es ist an dieser Stelle zu erwähnen, dass A. ausgesprochen gut turnen kann, sich jedoch oft ziert. Leicht genervt liess die LK die Fünf gerade stehen und fand nun endlich Zeit, am Boden und Reck nochmals Tipps zu geben.
Acht Minuten vor Unterrichtsende begannen die SuS auf Anweisung der LK alles Material wegzuräumen. A. drückte sich schon wieder.

g)
Zum Schluss versammelten sich alle wieder im Kreis. Die LK lobte die Klasse für ihren Mut und thematisierte kurz das Thema Wagnis. Dabei betonte sie, dass mit Ausnahme von A. alle den Mühlumschwung probiert hätten.

h)
Alle SuS verabschieden sich mit Handschlag von der LK. Ausser A. und ihre beste Freundin. Die LK lässt dieses Verhalten durchgehen, da ihre nächste Sportklasse bereits vor der Halle wartet.