Fall Nr. 61

 

Volleyball oder Völkerball

Schlüsselsatz: „Nein nicht Basket, das ist ein Scheissspiel!“
Stufe: Sekundarstufe I
Bewegungsfeld: Spielen
Disziplin/Sportart: Linienball
Inhalte präsentieren: Spielen und Wettkämpfen
Textsorte: Didaktischer Text

Fallbeschreibung:

Im Frühling vor 4 Jahren, übernahm ich eine Stellvertretung für einen Sekundarstufenlehrer. Wir trafen uns zur Besprechung des zu behandelnden Stoffes. Er gab mir Anweisungen, was ich mit den Schülern zu bearbeiten hatte und was ich erreichen sollte. Die Ziele waren sehr frei bzw. breit. Ein Beispiel: „Wenn die Sonne scheint kannst du mit ihnen etwas draussen machen, sonst machst du etwas mit dem Ball in der Halle!“ Zu den ältesten Mädchen sagte er nur: „ Für diese Klasse musst du nichts vorbereiten, sie machen eh nicht mit. Habe es schon mit jedem Spiel versucht, doch ohne Erfolg. Ein Versuch mit Geräteturnen oder Leichtathletik ist eh zwecklos! Ich mache es so, dass ich ihnen drei Volleybälle und ein Volleyballnetz bereitstelle und sie dann in der Halle nach belieben Volley oder Völkerball spielen lasse! Die Halle, solltest du schliessen, damit sie die Halle nicht verlassen.“ Von meinem riesigen Selbstvertrauen gestützt, verschwendete ich nicht all zu viele Gedanken mit diesem angeblichen Problem. Ich bereitete mich wie immer gut vor, mit der Einstellung, dass ich sie zu motivieren wissen werde und sie sich bei mir sicherlich nicht weigern würden.
Nun war es soweit. 19 Schülerinnen im Alter von 16 Jahren erwarteten mich bereits in der Turnhalle. Der Geräteraum war abgeschlossen. Auf meinem Plan war Basketball angesagt.
Ich informierte die Schülerinnen, wie diese Stunde verlaufen würde. Sie erwiderten mit den Worten:  "Wir wollen Volleyball oder Völkerball spielen! Alles andere kommt für uns nicht in Frage. Da streiken wir! Hat sie Herr M. nicht darüber informiert?“ Es war wirklich so wie es nach Herrn M. s Angaben eigentlich zu erwarten gewesen wäre. Doch trotzdem war ich irgendwie überrascht.
Ich gab nicht nach, reagierte auch nicht gross auf ihre Aussagen. Ich forderte sie auf, mit je einem Ball, durch die Halle zu prellen. Wir machten verschiedene Einzel- und Partnerformen. Bis auf zwei Mädchen die den Ball in den Händen hielten und schwatzten, machten alle mit, bewegten sich aber nicht viel schneller als Schritttempo. Wenn sie den Ball verloren, dauerte es immer sehr lange bis sie ihn wieder hatten, da dieser Unterbruch immer noch für ein kurzes Gespräch missbraucht wurde. Anschliessend erklärte ich die Regeln zum Spiel Linienball, welches sie noch nicht kannten. (Durch Passen und ohne zu prellen, den Ball auf des Gegners Linie legen ohne vom Gegner beim Punkten berührt zu werden). Ich spielte auch mit, damit wir 5 gegen 5 über die Breite auf 2 Feldern spielen konnten. Nach einem weiteren Unterbruch, um noch einmal zu erklären, dass man nicht prellen darf, begann das Spiel zu laufen. Die Schülerinnen, hielten sich plötzlich sehr streng an die Regeln und führten das Spiel selbständig. Das Tempo war plötzlich sehr hoch! Alle rannten, standen zur Linie und verlangten den Ball. Es gab sehr wenige Punkte, da die jeweilige Mannschaft knapp 3 Pässe fehlerlos spielen konnte.
Die Qualität des Spiels, nach taktischem Aspekt, war ungenügend, doch das Engagement, welches sich im Laufen, rufen und in den Emotionen bei Erfolg und Misserfolg widerspiegelte war sehr hoch. Nach meinem Plan wäre diese Spiel, welches ich selber nicht so gerne spiele, nur eine Vorübung für das eigentliche Basketball spielen gewesen. Doch auf meinen Pfiff, hörte ich mit einem tiefen Atem unterlegt: „ Kennen sie noch ein anderes so tolles Spiel?“ „Jetzt spielen wir richtigen Basketball!“ war meine Antwort. War aber sehr überrascht, dass sie Linienball ein tolles Spiel fanden. „Nein nicht Basket, das ist ein Scheissspiel!“ Das verstand ich nicht. Echtes Basket ist doch viel toller als diese spielerischen, vorbereitenden Formen, dachte ich mir. Doch nach langem hin und her einigten wir uns so:“ Das nächste Mal spielen wir länger Basketball und jetzt spielen wir noch ein weiteres Spiel wie Linienball. So erklärte ich ihnen noch Schnappball und wir spielten in den restlichen 20min je 10min Schnappball und Linienball. Schliesslich war ich froh, dass alle sich zumindest bewegt hatten und sogar schwitzten.
 
2 Tage später, folgende Turnstunde mit der Mädchenklasse. Nach einer Einwärm- und Einstimmungsphase stellte ich die Teams zusammen, um Basketball zu spielen. Durch Nachfragen erkundigte ich mich nach den Regelkenntnissen und Praktischen Erfahrungen mit Basketball. „Wir haben oft in der 6., 7. und 8. Klasse gespielt, doch wir mögen es nicht.“ Das war mir eigentlich in diesem Moment egal. Das Spiel begann. Technische Mankos wie Ball nicht fangen können, beidhändiges prellen, wie unpräzise Schüsse machten das Spiel nicht spielbar und von meiner Seite her nicht führbar. Es waren immer pro 5er Team mindestens 2 passiv beteiligt. Ich unterbrach diesen Versuch mit dem gewohnten Pfiff. Bevor ich etwas sagen konnte, hörte ich schon 3-4 Mädchen: „ können wir nicht Linieball spielen?“