Fall Nr. 463

 

Beobachtungsbericht KV-Lehrlinge, 2. Schuljahr

Stufe: Sekundarstufe II
Bewegungsfeld: nicht definiert
Inhalte präsentieren: Lehrgespräch und Coaching; Diskussion
Textsorte: Didaktischer Text

Fallbeschreibung:

14 Jungs, 17jährig, Dienstag, 9.45-11.15 Uhr

Die Schüler (S) betreten die TH und die meisten von ihnen holen sich einen Ball. Sie werfen auf die Basketballkörbe oder spielen Fussball gegen die Wand. Der Lehrer (L) pfeift die S zusammen, um das Lektionsprogramm zu erklären. Ein S schwatzt immer drein oder unterhält sich mit seinem Sitznachbarn. Der L reagiert darauf, indem er diesen S zu sich nach vorne bittet und ihn höflich fragt, ob er das Programm oder irgendetwas anderes der Klasse erzählen möchte. Der sichtlich verlegene S muss sich zu den Füssen des Lehrers setzen für den Rest der Erklärungen. Kurz darauf kommt ein zweiter S dazu, der seinen Mund auch nicht halten kann. In der Nähe des L sind zwei anständig ruhig. Ein anderer S legt sich auf den Boden und reklamiert, als er hört, dass es heute die (bereits angekündigte) Prüfung gibt. Nach einer kurzen Diskussion zwischen dem L und dem S schickt der L ihn aus der Klasse, mit der Begründung, dass er schon öfter negativ aufgefallen sei und genau wisse, dass er sich nichts erlauben könne. Dieser S wird von der ganzen Lektion ausgeschlossen und soll sich Ende der Stunde nochmals beim L melden.

Dann beginnt die Lektion mit einem Kopfballspiel, welches die Klasse bereits kennt. Die Gruppenaufteilung erfolgt nach den verschiedenen Klassen (e,f), welche hier zusammen die Turnstunde besuchen. Der Ball darf nur gepasst werden, einen Punkt gibt's, wenn ein S nach einem Pass einen Kopfball an die gegnerische Wand spielen kann. Das Spiel ist laut und wild, aber fair. Die eine Gruppe ist deutlich unterlegen. Anschliessend holt jeder S auf Anweisung des L eine Gymnastikmatte und der L zeigt ein paar Stretching-, Stabilisations­übungen und Liegestütze vor, welche die S bereits zu kennen scheinen.

Dann geht's auf den Aussensportplatz, um die angekündigte Prüfung zu absolvieren. Einige S jammern, weil es um diese Zeit am Morgen noch recht frisch ist. Der L hält dagegen, dass sie gewusst hätten, dass heute ein Teil auf dem Aussensportplatz stattfindet und sie sich demgemäss hätten ausrüsten können. Als die Klasse mit Speer, Startblöcken und zusätzlichem Material (Messband, Markierungen) den Sportplatz erreicht, ist dieser noch feucht vom Tau der letzten Nacht. Dies gibt Anlass zu grossen Diskussionen, zuerst die S untereinander, dann mit dem L. Die geplanten Prüfungen sind Sprint und Speerwurf. Die S dürfen entweder eine oder beide Disziplinen absolvieren (je 3-5 Versuche), die beste erreichte Note aus allen Versuchen zählt für die Sportnote. Die S fühlen sich benachteiligt, weil die Sprintbahn feucht ist. Dies habe einen negativen Einfluss auf ihre Leistung, da keiner von ihnen Nagelschuhe besässe und die Verletzungsgefahr sei überhaupt zu gross, um den Sprint durchzuführen. Der L sagt, dass ein Antreten an die Sprintdisziplin und auch ans Speerwerfen „freiwillig" sei, denn dies sei die erste Prüfungschance und nach den Herbstferien bekämen ja alle noch eine zweite Chance (die S mussten an einem dieser zwei Tage mindestens eine Disziplin absolvieren für eine gültige Note, dies wussten die S bereits).

Die Sprintprüfung wird immer von zwei S gleichzeitig absolviert. Der L stoppt die Zeiten, und schreibt sie auf. Viele S beschweren sich nach jedem Lauf über die unfairen Bedingungen, allerdings nicht mehr direkt gegen den L gerichtet. Dieser ignoriert die Beschwerden weitgehend und konzentriert sich aufs Abnehmen der Prüfung. Nach der Sprintprüfung versammeln sich die S zum Speerwurf. Diejenigen, die den Speerwurf nicht machen wollen, gehen zurück in die Halle, um Unihockey zu spielen. Die Prüfung verläuft ereignislos, die S bringen gute Leistungen. Gemeinsam bringen die S das gebrauchte Material zur Turnhalle.

In den letzten 35 Minuten der Stunde wird noch Unihockey gespielt. Jedes Team besteht aus 2 Blöcken und einem Goalie. Der L lässt die S 15 Minuten lang spielen und unterbricht dann das Spiel. Er hält jedes Team dazu an, zu besprechen, was gut läuft und was weniger. Daraufhin bekommen die S zehn Minuten Zeit, um an ihren Hauptschwächen zu trainieren. In der einen Gruppe ist dies der Torschuss, da das Team findet, sie hätten es oft bis vor das Tor geschafft, aber dieses einfach nicht getroffen. Da die Mannschaft einer der stärksten Spieler der Klasse in ihrem Team hat, bittet der L diesen S, sein Team während 10 Minuten zu coachen, während er selbst sich dem anderen (schwächeren) Team widmet. Dieses Team ist sich noch nicht ganz einig, wo seine Schwächen liegen. Der L stellt einige Fragen, um den S auf die Sprünge zu helfen: War eure Verteidigung gut? Ja, ganz ok. Wie klappt das mit dem Angriff? Naja.... Wo verliert ihr jeweils den Ball ans andere Team? Hm...meist in der Mitte des Spielfeldes... Wieso? Weil dort die stärkeren Verteidiger stehen und meist auch mehr als einer.... Ach ja logisch, wir sollten vielleicht mehr über die Seiten spielen, ruft ein S aus. Der L übt mit den S die restlichen der 10 Minuten in einer taktischen Form, mehr über die Seiten zu spielen und den ganzen Raum zu nutzen. Anschliessend wird weiter gespielt und die S versuchen das Gelernte anzuwenden. Das Spiel wird etwas flüssiger, es gewinnt das gleiche Team wie vor dem Spielunterbruch.

Die Stunde wird beendet, indem der L einen kurzen Überblick über die nächsten geplanten Einheiten (Unihockey) gibt. Dann erscheint der S, welcher anfangs der Stunde aus der Klasse ausgeschlossen wurde, in der Turnhalle. Der L beschreibt diesem, wie sein Verhalten bei ihm angekommen sei, dass ihn dieses Verhalten massiv geärgert habe, dass er dieses Verhalten nicht akzeptiere und dass er sofort von der Stunde ausgeschlossen wurde, weil die beiden sich bereits mehrere Male über genau diese Verhaltensweisen des S unterhalten haben. Der S nickt zustimmend. Der L fragt den S, ob er sich denn bewusst sei, dass sein Verhalten von der Klasse als Clown wahrgenommen werde und ob er dies beabsichtige, ob dies seine Rolle sei, die er sich in der Klasse wünsche. Der S verneint dies. Der L beschreibt ähnliche Situationen in vorhergehenden Lektionen und macht den S darauf aufmerksam, dass dies schon öfter passiert sei, dass er aber auch kürzlich Stunden erlebt habe, in welchen sich der S zusammenreissen konnte und das erwünschte Verhalten zeigte. Aber er verlange von ihm nicht ein gelegentliches Zusammenreissen sondern eine grundlegende Verhaltensveränderung. Der S nickt zustimmend und sie geben sich die Hand zum Abschied.