Fall Nr. 237

 

Blutgrätsche

Schlüsselsatz: „Ich geh jetzt irgendeinen umhauen!“
Stufe: Sekundarstufe I
Bewegungsfeld: Spielen
Disziplin/Sportart: Fußball
Inhalte präsentieren: Spielen und Wettkämpfen
Spezielle Themen: Sicherheit
Textsorte: Didaktischer Text

Fallbeschreibung:

In der neunten Klasse spielten wir Jungen regelmäßig jede Woche gegen die Klasse 10d im Sportunterricht Fußball. Wir spielten meistens elf gegen elf auf dem großen Rasenplatz des Sportplatzes. Die Spiele gegen die andere Klasse waren immer von besonderem Ehrgeiz geprägt, denn unsere Klasse hatte deutlich weniger Vereinsspieler zu bieten und war meist knapp unterlegen. Alleine die Tatsache, dass gegen eine andere Klasse gespielt wurde und nicht etwa gemischt, ließ den Klassenzusammenhalt in ungeahnte Höhen schnellen. Die „Sportexperten“ legten in den Stunden vor dem Spiel die neue Taktik zurecht und schworen die nicht so starken Sportler auf ihre Aufgaben im Mannschaftsverband ein. Im Normalfall gingen diese Spiele immer sportlich fair, jedoch sehr emotional von statten. Es war nicht selten, dass z.B. der gegnerische Torwart im eigenen Strafraum auftauchte, um seine Meinung über die vorherige Zweikampfsituation mit hochrotem Kopf lautstark kundzutun. Auch wurde so manche „Blutgrätsche“ frenetisch gefeiert.
Die Sportlehrerin saß meist hinter der 100m-Tartan-Bahn auf einer Bank, ca. zehn Meter von der Außenlinie entfernt, und griff über die komplette Spielzeit nicht in die Spiele ein. Sie unterhielt sich meist mit den Schülern, die nicht mitspielen konnten. Wir kamen umgezogen auf den Platz, wärmten uns fünf Minuten auf, stellten uns zum Anpfiff auf, spielten Fußball und gingen wieder.
M., ein türkischer Schüler der anderen Klasse, war allgemein bekannt wegen seines unregelmäßig auftretenden aggressiven Verhaltens. Im Allgemeinen hatte niemand etwas von ihm zu befürchten, jedoch war er bei Streitsituationen recht schnell verbal und körperlich aktiv. Dies war auch in der Lehrerschaft bekannt.
M. regte sich während eines Spiels äußerst deutlich über die Leistung seiner Mannschaft und das Spielergebnis auf. Mitten während des Spiels verlor er den Ball, blieb kurz stehen und sagte dann: „Ich geh jetzt irgendeinen umhauen!“. Daraufhin sprintete er über den gesamten Platz. Einer unserer Offensivspieler versuchte gerade am gegnerischen Außenverteidiger vorbeizudribbeln, als M. mit 70 Metern Anlauf in die Situation hineingrätschte und seinen eigenen Mitspieler fällte wie einen morschen Baum. Daraufhin war das Gelächter unter den meisten Beteiligten groß.
Etwa 15 Minuten später, wir führten 2:0 und von den Gegnern kam wenig Gegenwehr, verlor M. gegen P., einen eher naturwissenschaftlich, als sportlich begabten Schüler, einen Zweikampf. P. war meistens froh, wenn er möglichst wenig mit dem Ball zu tun hatte und versuchte höchstens, unsere rechte Seite mit seiner Schnelligkeit sauber zu halten. P. war außerdem auch im restlichen Schulalltag immer sehr unauffällig, redete nur im größten Notfall und dann meistens über oder in Programmiersprachen. In dieser Situation aber hatte P. den Ball mit großem Einsatz eindeutig sauber abgegrätscht. M. und P. lagen nun beide übereinander auf dem Boden. M. stand blitzschnell auf und schrie wild um sich: „Verdammte Scheiße! Du W***ser!“ Dann trat er dem noch auf dem Boden liegenden P. stark gegen den Kopf.
Sofort eilten Schüler beider Klassen herbei, um die Situation unter Kontrolle zu bringen. Die Lehrerin war zu diesem Zeitpunkt etwa 50 Meter von der Situation entfernt und hatte zunächst nichts mitbekommen. Sie hörte aber von den anderen Schülern, was vorgefallen war und eilte ein bis zwei Minuten später zum Platz. Sie packte M. wortlos am Arm und schleppte ihn vom Platz. Er musste den Rest des Spiels zuschauen.
Am Ende des Spiels musste sich M. bei P. entschuldigen. Weitere Konsequenzen blieben aus.