Fall Nr. 537

 

Chronik einer "Laissez-faire"-Spielhaltung

Stufe: Sekundarstufe I
Bewegungsfeld: Spielen
Disziplin/Sportart: Unihockey
Textsorte: Chronik

Fallbeschreibung:

Für mein Abschlusspraktikum habe ich eine Unterrichtseinheit mit dem Thema "Unihockey spielend entdecken" unter der Berücksichtigung technischer Spielhand­lungen und taktischer Kernelemente konzipiert und durchgeführt. Die Lektionen soll­ten nach dem Motto "Spielen vor Üben" ablaufen.

Die Klasse kannte ich aus einem früheren Blockpraktikum. Es war eine 1. Klasse (6. Schuljahr) des Niveaus A, mit nur wenigen Schülern (10 Buben). Die Klasse war grösstenteils für Sportspiele zu begeistern. Die Heterogenität der Klasse war durch zwei übergewichtige Schüler, aber auch durch unterschiedliche Fähigkeiten gegeben (ein Schüler spielte beispielsweise in einem Unihockeyclub).

Nachdem die Schüler in den vorangegangenen Lektionen nebst den verschiedenen Spielphasen, auch die daraus abgeleiteten, spielrelevanten Techniken wie Passen, Ballführen usw. sowie taktische Elemente wie Freilauten, Zusammenspiel usw. geübt
hatten, wurde nun, aufgrund der Erfahrungen aus der letzten Lektion, das Schiessen thematisiert. Nach einem Basisspiel (Varianten Schnappball mit verschiedenen Bäl­len) zum Einstimmen, folgte eine Übungsphase, in der die Schüler einen bereits vor­bereiteten Schuss-Circuit absolvierten.
Zwei Schüler waren dabei in ihren Spielmög­lichkeiten eingeschränkt. Einer hat die Schuhe vergessen und war daher in Socken unterwegs und einer hatte sich schon vor der Stunde über eine Handverletzung be­klagt, die ihn nun bei der korrekten Stockhaltung hinderte. Er wollte aber trotzdem unbedingt mitmachen. Der Ablauf des Schuss-Circuit verlief insgesamt gut, den Schülern machte es Spass und die Bewegungszeit war hoch, jedoch haben die we­nigsten ihre Schusstechniken auch wirklich variiert. Das Wegräumen des Materials vor der nächsten Spielphase brauchte dann mehr Zeit als eigentlich eingeplant war. Nach zunächst klaren Anweisungen hatte ich versäumt, den Schülern mitzuteilen, was sie nach dem Aufräumen machen sollten (z.B. anderen helfen oder sich im Mittelkreis versammeln). Die Aktion hatte sich dadurch relativ lange hingezogen und wurde zunehmend unstrukturierter.

Dazu kam dann noch die Beobachtungssituation (Videoportfolio), die mich dazu verleitete, trotz Zeitmangels die Schüler nach dem Aufräumen der Halle und kurz vor der Pause wieder in das Spielvermittlungskonzept "Spielen vor Üben" wechseln zu lassen. Ich wurde also dazu verleitet, die Feinplanung einzuhal­ten (Spielen nach dem Schuss-Circuit), obwohl es lerntechnisch wenig Sinn machte. Für dieses abschliessende, leicht modifizierte Spiel mussten sich die Schüler in vier Teams aufteilen. Verschiedene Vereinfachungsstrategien, d.h. spielen ohne Torwart, kleineres Spielfeld, Mannschaftsgrösse 2 gegen 2 und 3 gegen 3, sollten dabei ein "richtiges" Spiel ermöglichen.

Vor Beginn des Spiels habe ich den Schülern gegen­ über keine Erwartungen und Regeln geäussert. Das Spiel verlief dann anders als gewollt und erwartet, nämlich in einer Art "Laissez-faire"-Spielatmosphäre. Das heisst, im Spielverhalten war kein bewusster Umgang mit den zuvor thematisierten sowie unterschiedlichen Schussarten auszumachen. Die Spielsituation entwickelte sich so­gar soweit, dass nicht einmal elementare Spielsportregeln (z.B. Spielfeldbegrenzung) angewendet wurden. Das Spiel verkam dadurch zu einer Art "Belohnung" am Ende der Stunde. Ich wollte zwar bewusst einen freudvollen und guten Abschluss der Einzellektion erreichen, fand es aber enttäuschend, die Schüler unnötigerweise auf ei­nem tiefen Niveau spielen zu lassen und akzeptierte dies eigentlich auch nicht in meinem Sportunterricht. Die Spassorientierung war zwar auch im Sinne der angewendeten Spielvermittlungskonzepte (G-A-G-Methode und TGfU-Modell) gewollt, wichtig war jedoch auch, dass die Schüler bei den leicht modifizierten Spielen gleichzeitig ihre Spielfähigkeit verbessern konnten. Ich ärgerte mich darüber, dass dieses Element am Ende der Stunde fehlte und dadurch die Handlungen in diesem Game beliebig wurden. Trotzdem habe ich die Situation laufen lassen, da ich - als weiteres Ziel der Stunde - eine hohe Bewegungszeit ermöglichen wollte. Schliesslich endete das Spiel unkommentiert nach etwa fünf Minuten. Nach der Stunde blieb ein Gefühl der Unzufriedenheit und ich überlegte mir, wie ich in Zukunft einen solchen Verlauf vermei­den und auf "Laissez-faire»-Spielhaltungen reagieren könnte.