Fall Nr. 366

 

Die Basketballerin auf dem Minitramp

Stufe: nicht definiert
Bewegungsfeld: Bewegen an Geräten
Disziplin/Sportart: Trampolin
Textsorte: Chronik

Fallbeschreibung:

Barbara ist eine gute und in der Klasse akzeptierte Basketballspielerin, die sich im Sportunterricht engagiert. Basketball ist ihre Sportart. Das trainiert sie häufig. Deshalb kann sie im Schulsport, wenn das Thema Basketball durchgenommen wird, auch den Ton angeben. Heute wird im Sportunterricht aber, wie letzte Woche, das Thema Hoch- bzw. Hockwende angesprochen. In einem weiteren Schritt möchte die entschlossene, energisch und resolut wirkende Lehrerin, wenn es möglich wird, den Handstandüberschlag darauf aufbauen. Barbara ist im Grunde eher eine ängstliche Person und nebst dem Basketballsport hat sie oft Mühe, mit dem Rest der ambitionierten Klasse mitzuhalten.
Barbara hat mit ihren 14 Mitschülerinnen und Mitschülern nach dem Einwärmen mit kurzen Basketballgames unter den strikten Anweisungen der Lehrerin relativ rasch zwei nebeneinander liegende Bahnen à einem Minitrampolin, einem Kasten und einer grossen Matte, die bei der rechten Bahn auf dem Boden und bei der linken Bahn auf kleinen Bänkchen liegt, aufgebaut. An der Wand gibt es weitere Nebenposten, bei denen die Kinder einen Kopf- oder Handstand oder eine Rolle vorwärts oder rückwärts versuchen sollen. Die ganzen Übungen sind in einem stetigen Kreislauf zu absolvieren. Nachdem die Lehrerin unter den aufmerksamen Augen der Schüler die Übung nochmals erklärt und vorgezeigt hat, fragt sie in ihrer zackigen, bestimmten Art nach, ob alles klar sei und gibt dann das Zeichen zum Start. Die Kinder stellen sich motiviert in eine Reihe vor der rechten Trampolinanlage (Die linke Anlage wäre dann für solche gedacht, die sich schon an den Handstandüberschlag wagen können. Sie wird aber während der ganzen Stunde nicht gebraucht.) Barbara platziert sich ziemlich weit vorne in der Reihe. Sie scheint die Aufgabe nicht ungern zu machen und dies obwohl ihr die Übung, wie sie von der letzten Woche her weiss, eher mässig gelingt, sie ein wenig Angst davor hat und mehr als die halbe Klasse – vor allem auch die Jungs – hinter ihr steht und ihr zusehen kann. Das erste Mädchen in der Reihe läuft sofort an, um auf das Minitrampolin zu springen, die Hände auf den dahinter liegenden Kasten zu legen und sich mittels Hockwende auf die grosse Matte zu befördern. Alle schauen in Stillschweigen gebannt zu. Die Lehrerin geht währenddessen kurz zur Seite, um ihre Sportjacke wieder anzuziehen. Die ersten zwei Mädchen springen zielstrebig, ohne dass sich die Lehrerin in der Nähe befindet. Bei den folgenden zwei Kindern läuft die Lehrerin in Richtung der Schüler und hat alle wieder im Blickfeld. Jedes der vier Mädchen macht die Übung, nebst zu wenig gestreckten Beinen, gut. Die Lehrerin gibt noch keinen Kommentar ab, da die Kinder in der ersten Runde erst einmal ausprobieren sollen. Als Barbara jedoch starten will, geht die Lehrerin vorausdenkend, noch die Jacke über die Arme ziehend, auf sie zu und gibt ihr den Tipp, die Übung auch mit wenig Anlauf machen zu können. Die Lehrerin scheint das Leistungsniveau von Barbara zu kennen und zu wissen, dass das Mädchen eher ein wenig ängstlich ist – erst recht im Geräteturnen. Sie bietet Barbara dementsprechend Ratschläge an, damit Barbara zumindest das Minimum machen kann. Alle schauen und hören zu. Barbara geht daraufhin, nicht unentschlossen, ein wenig auf das Trampolin zu, läuft dann langsam los, springt eher sachte auf das Trampolin auf, stützt sich mit den Händen auf dem Kasten ab und rutscht via Knie über den Kasten. Alle schauen zu, aber keiner zeigt auch nur die kleinste Reaktion auf ihre etwas schlechtere Leistung. „Ja, genau! Tiptop!“ lautet der aufmunternde Kommentar der Lehrerin. Sie scheint alle ihre Schüler in den Sportunterricht einschliessen zu wollen und versucht die Schüler dort abzuholen, wo sie stehen. Nach der ersten Runde stellt sich die Lehrerin neben den Kasten und bleibt während dem Rest der Lektion mehr oder weniger dort stehen, um jedem Kind nötige Kraft, ein gutes Schwingen nicht gelingen kann. (Benz & Muff)


Fallinterpretation:
Für Barbara kommt wahrscheinlich eher zu tragen, dass die Geräteübung auch ein gewisses Risiko beinhaltet, sie deshalb nicht ganz angstfrei starten kann und dadurch ein wenig in der Bewegungsausführung gehemmt wird. Die Lehrerin müsste an dieser Stelle für angstfreie Lernbedingungen sorgen und den Posten absichern. In der Unterrichtsrealität versucht die Lehrerin Barbara die Angst durch gutes Zureden und Anspornen zu nehmen. Sie steht jedoch zu weit vom Kasten entfernt, als dass sie eine individuelle Rückmeldung zu geben und das ganze Feld unter Kontrolle zu haben.
Im weiteren Verlauf der Stunde tritt Barbara immer wieder couragiert an, um über den Kasten zu springen. Sie lässt sich nicht entmutigen. Mit den Tipps der Lehrerin gelingt es ihr schlussendlich – zwar ohne Anlauf, dafür aber direkt, ohne den Kasten mit den Knien zu berühren, auf der Matte zu landen. Ein Erfolgserlebnis, auf dem die Basketballerin aufbauen kann.
(Benz & Muff)