Fall Nr. 402

 

Die vorbestimmte Harmonie

Stufe: Sekundarstufe II
Bewegungsfeld: Spielen
Disziplin/Sportart: Fussball
Inhalte präsentieren: Erklären | Spielen und Wettkämpfen
Textsorte: Chronik

Fallbeschreibung:

Es ist kurz nach zehn Uhr an einem Montagmorgen mitten im Januar. Draussen ist es schönes Wetter und es liegt wunderbar viel Schnee, so wie es mitten im Winter auch sein sollte. Die 17-18 jährigen Schüler und Schülerinnen des Gymnasiums trudeln nun langsam nach ihrer grossen Pause in der Turnhalle ein. Es befinden sich immer mehr Jugendliche in der Sporthalle, kurz bevor die Lektion beginnt sind 10 SuS da. Die Jungs tollen herum, stehen auf den Holzwagen der „Bänkli“ und ziehen sich gegenseitig durch die ganze Sporthalle, spielen mit Bällen und raufen sich, währenddem die fünf Mädchen in der Halle alle am Rand bei der Heizung sitzen und warten, dass der Lehrer die Sportlektion beginnt. Zu Beginn der Sportlektion werden verschiedene, vor allem technische, Übungen von den Schülern durchgeführt. Der eher langwierige Aufbau des Aufwärmens scheint keinen zu stören und alle laufen brav, mit dem Ball am Fusse führend, um die verschiedenen, in der Sporthalle aufgestellten, Malstäbe herum. Dies geschieht immer so, wie es die Lehrperson von den Schülern verlangt. Es herrscht ein sehr geringer Lärmpegel in der Sporthalle und die zehn Jugendlichen konzentrieren sich auf den Ball, der immer wieder mit dem Fuss leicht angetippt werden soll. Einmal nur mit dem linken Bein den Ball führend, das nächste mal nur mit dem rechten Bein oder gar abwechselnd, laufen sie von den vier Ecken der Sporthalle um die in der 17 Mitte aufgestellten Malstäbe. Diese Übungen, in ganz unterschiedlichen Variationen, werden beinahe eine halbe Stunde lang von den SuS wiederholt, immer so wie es die Lehrperson von ihnen verlangt und ohne irgendwelches murren. Kein Schüler fällt in irgendeiner Weise negativ auf, alle sind auf sich und den Ball an ihrem Fuss konzentriert. Das Aufwärmen verläuft reibungslos, harmonisch und ohne weitere Zwischenfälle. Einzig die Lehrperson gibt von Zeit zu Zeit Kommentare, indem sie einzelne SuS lobt oder allgemeine Anweisungen und Korrekturen gibt. Nun ist es soweit, die Aufwärmphase ist vorbei und der Spielteil der Lektion beginnt endlich. Die Lehrperson verteilt zu Beginn überlegt die Überziehleibchen, sodass das Verhältnis von Mädchen und Jungen innerhalb der Gruppe in etwa ausgeglichen ist. Alle SuS nehmen die Einteilung der Lehrperson ohne Kommentare hin. Sie verteilen sich in der ganzen Halle und die Lehrperson steht in einer Ecke und erklärt die nächsten Schritte. Es wird gelb gegen weiss gespielt. „Drei Feldspieler, ein Torhüter und ein Auswechselspieler“ ertönen die weiteren Anweisungen der Lehrperson aus der Ecke. Die Schülerinnen stehen in kleineren Grüppchen zusammen, sprechen miteinander, die Schüler spielen mit dem Ball, schlagen Räder oder rennen sonst in der Halle herum, als die nächste Spieleinschränkung von Seiten der Lehrperson ertönt. „Die Damen gehen nicht ins Tor“. Die SuS nehmen diese Einschränkung zwar wahr, zeigen jedoch keine Reaktion und spielen weiter mit dem Ball. Um die Situation unter Kontrolle zu kriegen, bittet die Lehrperson als nächstes um die Bälle, welche immer noch in der Sporthalle herumliegen und gespielt werden. Die Schüler spielen der Lehrperson die Bälle zu, welche sie in den Ballwagen legt. Nun will die Lehrperson das Spiel endlich beginnen und fordert die SuS auf, sich auf dem Spielfeld aufzustellen. Zudem gibt die Lehrperson ruhig und überzeugt noch eine weitere Regel vor, nämlich, dass die Tore der Damen doppelt zählen. Den SuS ist auch auf diese Einschränkung des folgenden Spieles keine Reaktion anzumerken, sie kennen den Ablauf schon. Eine einzelne Schülerin läuft tanzend auf ihre Freundin zu und sie klatschen sich ab. Die Lehrperson erklärt als letztes noch eine Regel, welche die Torhüter betrifft, wobei die SuS diese Regel schon von anderen Ballsport Spielen zu kennen scheinen. Nun endlich kann das lang ersehnte Spiel beginnen. Die Motivation der SuS ist eher gering. Die 8 Schüler auf dem Feld spielen zwar Fussball, aber sie erbringen keine ausserordentlichen Leistungen. In der folgenden Viertelstunde wird ein harmonisches Fussballspiel durchgeführt, ohne grössere Zwischenfälle, ohne herausragende Leistungen und auch ohne emotionale Auslebungen der SuS. Sie kommunizieren weder innerhalb der Mannschaft noch in der Klasse miteinander. Im Gegensatz dazu lebt die Lehrperson fürs Spiel, versucht die SuS zu animieren, aufzubauen und erklärt gelegentlich auch taktisches und regelgerechtes Vorgehen in einem Fussballspiel. Gute Tormöglichkeiten, genaue Pässe und Tricks werden laut gelobt. Eine Szene, die das weitere Spielen in der restlichen Lektion sehr gut beschreibt, soll nun noch beschrieben werden. Ein Junge rennt schnell auf der linken Feldseite in Richtung Tor und bekommt den Ball von einem anderen Jungen sehr steil auf der linken Seite zugepasst. Er passt den Ball dann zurück in die Mitte, wo ein eher wenig überzeugtes Mädchen steht. Dieses versucht den Ball ins Tor zu kicken, vergibt die Chance jedoch klar. Der Ball kullert neben dem Tor durch, ohne dass sich der Torhüter auch nur ein bisschen in Szene setzen muss. Der Junge, der den Ball dem Mädchen zugespielt hat, erobert sich den Ball zurück. Ein Mitspieler steht hinten links frei, jener der ihm den vorherigen Pass zugespielt hat. Der Junge ganz vorne sucht sich jedoch noch mal das Mädchen, welches nun durch drei Verteidigungsspieler gedeckt wird, als Anspielpartner aus. Der Pass kommt an und das Mädchen versucht nochmals, aus ca. 4m Entfernung ein Tor zu machen. Wieder trifft sie nicht. Das Mädchen stampft kurz auf den Boden und wirft die Arme in die Luft. Dann läuft das Spiel wieder ruhig weiter. Das ganze Spiel läuft völlig harmonisch zwischen Mädchen und Jungs ab. Obwohl man von Beginn weg sieht, dass die Mädchen technisch eher schwächer sind als die Jungs, ist der Ballkontakt in etwa ausgeglichen. Meist erkämpfen sich die Jungen den Ball und suchen ein Mädchen ihrer Mannschaft als Anspielstation, welches direkt vor dem Tor steht. Die Jungs ziehen die Mädchen als Anspielmöglichkeiten vor, auch wenn es nicht immer die beste Angriffsvariante darstellt. Die Lehrperson steht die ganze restliche Lektion an der rechten Hallenseite und feuert seine SuS an. Es macht nicht den Anschein als sei er sich seines Eingreifens bewusst, den er fordert die Jungs auch immer erneut dazu auf, die Mädchen als Anspielpartner zu suchen. (Haunreiter & Gerber)