Fall Nr. 430

 

Mädchen fangen

Schlüsselsatz: "Seid doch nicht so albern, Mädels!"
Stufe: Primarstufe
Bewegungsfeld: Spielen
Disziplin/Sportart: Fangspiele
Inhalte präsentieren: Spielen und Wettkämpfen
Textsorte: Didaktischer Text

Fallbeschreibung:

Grundschule, Klasse 4
In einer großen Pause, in der sich die Schüler und Schülerinnen der Grundschule auf dem Schulhof befinden, führt die Lehrerin Frau A. Aufsicht. Sie beobachtet, wie sich einige Mädchen und Jungen ihrer Klasse zum Fangspiel „Mädchen Fangen“ auf einem bestimmten Platz auf dem Pausenhof zusammenfinden.
Das Spiel beginnt und verläuft reibungslos bis Mikel, ein weiterer Junge der Klasse, auftaucht und sich auch am Spiel beteiligt. Nach kurzer Zeit beginnt ein Streit, denn den Mädchen ist es nicht Recht, dass Mikel mitspielt und sie kommen auf die Lehrerin zu.
Anne sagt: „Der Mikel nervt, der soll nicht mitmachen.“
Die Lehrerin fragt daraufhin: „Warum?“
Die Mädchen antworten einstimmig: „Weil wir den blöd finden und nicht mögen.“
Mikel kommt nun auch zu der Gruppe und fragt die Lehrerin vor den Mädchen: „Es gab keine Mannschaften und es kann doch jeder mitspielen, der will, aber die Mädchen sagen, ich darf nicht. Warum denn?“
Die Lehrerin sagt: „Ich weiß auch nicht Mikel. Seid doch nicht so albern Mädels und lasst Mikel auch mitspielen.“
Die Mädchen kehren zurück zu ihrem Spiel, auch Mikel spielt mit. Dann kommt es erneut zu einem Streit zwischen einem Mädchen und Mikel, weil dieses sich von ihm nicht fangen lassen will, bis das Mädchen weint.
Die anderen Mädchen laufen zu Frau A.: „Sehen Sie, Maria weint. Wir haben doch gesagt, Mikel soll nicht mitspielen.“
aus: Lüsebrink, I. (2006). Pädagogische Professionalität und stellvertretende Problembearbearbeitung - ausgelegt durch Beispiele aus Schulsport und Sportstudium (S. 88). Köln: Strauß.


Fallinterpretation:
Zunächst spielen die SchülerInnen ohne Probleme ihr Fangspiel. Als Mikel, ein Junge dieser Klasse, auftaucht und mitspielt, entsteht das 1. Problem: Die Mädchen wollen nicht, dass Mikel mitspielt und es entsteht ein Streit zwischen ihm und den Mädchen. Außerdem laufen die Schülerinnen sofort zur Aufsichtsperson und beschweren sich bei ihrer Klassenlehrerin über Mikel.
Das nächste nennenswerte Problem, vor allem für Mikel, ist, dass er nicht versteht, warum er nicht mitspielen darf. Daraufhin ist die Reaktion der Aufsichtsperson nicht angemessen, was das vierte Problem darstellt.
Nachdem die Mädchen und Jungen, auch Mikel, das Spiel wieder aufnehmen, entsteht ein weiteres Problem. Maria, eine Mitschülerin von Mikel, möchte nicht von Mikel gefangen werden und weint daraufhin. Daraus ergibt sich für Mikel ein weiteres Problem: Er darf Maria nicht fangen. Das Problem gewinnt an Bedeutung, da die Mädchen sich bestätigt fühlen und erneut zur Aufsichtsperson laufen, um sich über Mikel zu beschweren.
Zu Beginn des Fangspiels läuft alles reibungslos und die Mädchen und Jungen organisieren das Fangspiel unter sich. Kurz nachdem Mikel sich am Spiel beteiligt hat, zeigen die Mädchen gleich, dass sie nicht wollen, dass Mikel mitspielt, obwohl Mikel sich genauso am Spiel beteiligt wie die anderen und nicht negativ auffällt, zumindest wird mir das aus dem geschilderten Fall nicht ersichtlich. Das Verhalten der Schülerinnen kollidiert mit der Norm, dass jede und jeder mitspielen darf, solange sie oder er sich adäquat verhält und sich an die Regeln hält. Eine weitere Norm ist, dass nur diejenigen mitspielen dürfen, von denen man weiß, dass sie sich richtig verhalten.
Da es sich bei den betroffenen Schülern um ein und dieselbe Klasse handelt, könnte es vermutlich sein, dass Mikel in vorherigen Situationen gegenüber seinen Mitschülerinnen schon öfters negativ aufgefallen ist. Möglicherweise gab es schon einmal Situationen, in denen Mikel ein Spiel durch falsches Verhalten kaputt gemacht hat oder es gab an diesem Schultag bereits eine Auseinandersetzung zwischen den Mädchen und Mikel. Die Mädchen wollen womöglich solch eine Situation vermeiden und Mikel von Anfang an nicht mitspielen lassen. Um den Mädchen gerecht zu werden, sollte auch erwähnt werden, dass es sich hierbei nicht um eine Sportstunde handelt, sondern um eine Pausenhofsituation. In diesem Fall muss berücksichtigt werden, dass die Schüler, die das Spiel inszeniert haben, entscheiden dürfen, wer mitspielt und wer nicht. Auf diese konkurrierende Norm bezogen, könnte ein Eingreifen der Jungen vielleicht das Problem beheben. Aus dem beschriebenen Vorfall wird aber nicht ersichtlich, welche Meinung die anderen beteiligten Jungen haben und wie sie zu Mikel stehen. Fakt ist, dass die Mädchen - um den Streit zu beenden - gleich zur Aufsichtsperson laufen und sich über Mikel beschweren. Die Norm, die hier einen Widerspruch zum Verhalten der Mädchen darstellt, ist, dass die SchülerInnen ihre Probleme in der großen Pause weitgehend selbst lösen sollen. Eine Aufsichtsperson ist zwar in den großen Pausen unumgänglich, aber sie soll von den SchülerInnen nur dann geholt werden und die Aufsichtsperson selbst soll nur dann eingreifen, wenn es nötig ist. Es kann natürlich sein, dass die Mädchen es schon für notwendig hielten, die Aufsichtsperson über das Geschehen zu informieren, denn jede/r sollte das Recht haben sich zu beschweren, wenn ihm/ihr etwas nicht passt. Hierbei ist auch wichtig zu erwähnen, dass es sich bei der Aufsichtsperson um ihre Klassenlehrerin handelt. Sie kennt die Kinder ihrer Klasse und weiß auch um das mögliche negative Auftreten von Mikel. Bei einer anderen Aufsichtsperson wären die Mädchen womöglich nicht gleich zu ihr gelaufen.
Auf diesem Weg haben sich die Mädchen vielleicht ausgemalt, dass sie durch das Beschweren bei der Klassenlehrerin Mikel loswerden. Eine konkurrierende Norm hierbei ist, dass die Aufsichtsperson in Streitsituationen zwischen Schülern eingreifen und Konflikte lösen soll, wenn sie solche auf dem Pausenhof wahrnimmt. Dabei muss die Aufsichtsperson selbst entscheiden, wann die Grenze erreicht ist und sie eingreifen muss.
Meiner Meinung nach greift die Klassenlehrerin nicht direkt ein, weil sie die Kinder kennt und sich sicher ist, dass sie das Problem unter sich klären würden und das Geschehen für sie noch kein Problem darstellt. Oder sie will keine Diskussion auf dem Pausenhof führen, sondern in der nächsten gemeinsamen Unterrichtsstunde mit der Klasse darüber reden.
Nachdem die Mädchen sich beschwert haben, will Mikel wissen, warum er nicht mitspielen darf. Er fühlt sich in dieser Situation ungerecht behandelt. Eine wichtige Norm, die Mikel gerecht wird, ist, dass niemand bloßgestellt werden darf und jeder respektvoll behandelt werden soll. Mit dem Satz „Weil wir den blöd finden und nicht mögen.“, verstoßen die Mädchen gegen diese Norm. Mikel stößt direkt zur Gruppe. Dies kann so gedeutet werden, dass er sich sicher ist, im Recht zu sein und nichts Falsches getan zu haben und nun auf die Unterstützung der Klassenlehrerin hofft.
Meiner Ansicht nach möchte Mikel unbedingt mitspielen, auch wenn die Mädchen ihn nicht mögen. Vielleicht fällt es Mikel schwer, in der Klasse Anschluss zu finden. So werden auch die Jungen aus seiner Klasse in diesem Vorfall nie erwähnt. Daraus ist zu schließen, dass Mikel von ihrer Seite keine Unterstützung bekommt und er seine letzte Chance bei seiner Klassenlehrerin sieht. Ich könnte mir auch vorstellen, dass Mikel heute schon einmal negativ gegenüber den Mädchen aufgefallen ist und er jetzt beweisen will, dass er sich doch in dieser Gruppe benehmen und bewähren kann. Mit dieser Auffassung geht eine weitere Norm einher, die besagt, dass jeder eine zweite Chance verdient haben soll.
Die Reaktion der Lehrerin auf den Konflikt ist meines Erachtens nicht angemessen. Ihre Aussage „Seid doch nicht so albern Mädels und lasst Mikel auch mitspielen“ zeigt mir, dass sie das Problem der Mädchen nicht ernst nimmt. Diese Interpretation steht im Gegensatz zur Norm, dass das Lehrer-Schüler-Verhältnis von beiden Seiten aus mit Respekt behandelt werden soll, um eine positive Atmosphäre zu schaffen und dass alle Schüler ernst genommen werden sollen. Eine konkurrierende Norm dazu ist, dass Konflikte nicht überspitzt werden sollen. Es soll somit aus „einer Mücke kein Elefant gemacht werden“. Möglicherweise sieht die Lehrerin das Problem der Mädchen nicht als ein Problem an und will den Mädchen klar machen, dass ihr Verhalten in diesem Moment unangebracht ist und es nicht schlimm ist, wenn Mikel am Spiel teilnimmt. Für die Klassenlehrerin ist somit das Problem beseitigt. Gegen diese Lösung spricht, dass die Lehrkraft bei einer Konfliktsituation zwischen Schülern die Konflikte sachlich lösen und die Probleme und das Verhalten der Kinder hinterfragen soll, um das Problem zu beheben. Meiner Meinung nach trifft sie mit ihrer Aussage aber schon eine Entscheidung und ergreift Partei für Mikel, was bei den Mädchen auf Unmut stoßen könnte. Es ist denkbar, dass die Klassenlehrerin nicht auf das Problem eingehen will, da sie weiß, dass Mikel es schwer hat, sich in der Klasse zu integrieren und sie ihm auf diese Weise den Rücken stärken will.
Nach Fortsetzen des Spiels entsteht erneut ein Streit, dieses Mal jedoch nur zwischen Maria und Mikel. Sie zeigt deutlich, dass sie von Mikel nicht gefangen werden will, in dem sie anfängt zu weinen, als Mikel sie fangen will. Das Weinen steht dabei in Konkurrenz zur Norm, dass die große Pause für die Schüler als positive Abwechslung zum Unterricht dienen soll und nicht als negatives Erlebnis.
Für mich stellt sich die Frage, ob wirklich alle beteiligten Mädchen ein Problem mit Mikel haben und ihn nicht mögen oder ob nur Maria persönlich ein Problem mit Mikel hat und die anderen Mädchen Maria unterstützen wollen. Vielleicht wissen die Mädchen um das Problem, das Maria mit Mikel hat. Da Maria vermutlich nicht in der Lage ist, dieses Problem mit Mikel allein zu lösen, wird sie von den Mitschülerinnen unterstützt. Bei dieser Version kommt der Zusammenhalt der Mädchenclique zum Ausdruck, was die Norm unterstützt, dass es wichtig ist, sich zu helfen und füreinander da zu sein, wenn es einem nicht gut geht. Eine andere Version könnte sein, dass doch alle Mädchen nicht wollen, dass Mikel mitspielt und Maria nur die Rolle des „Opfers“ übernimmt, da sie eher ein kleines und schüchternes Mädchen ist und sie somit eventuell bei der Klassenlehrerin eher auf Verständnis stößt.
Aus Mikels Sicht stellt diese Situation ein anderes Problem dar. Die Reaktion von Maria zeigt ihm demonstrativ, dass er auch nach der Aufforderung der Lehrerin nicht mitspielen darf. Jedoch ist es für ein positives Klassenklima erforderlich, dass niemand ausgeschlossen werden soll. Mikel hat gar keine Möglichkeit, sich zu äußern und sich zu verteidigen, bevor die Mädchen zur Klassenlehrerin laufen. Die Norm, die dazu im Widerspruch steht, ist, dass alle Schüler die Chance haben sollen, Stellung zum Problem zu nehmen und ihre Sicht zu äußern.
Mit dem Satz „Sehen Sie, Maria weint. Wir haben doch gesagt, Mikel soll nicht mitspielen“ zeigen die Mädchen eindeutig, dass sie im Recht sind. Möglicherweise wollen die Mädchen damit klar machen, dass die Lehrerin bei ihrer ersten Beschwerde falsch reagiert hat und dies nun wieder gutmachen soll, indem sie Mikel untersagt, beim Fangspiel mitzuspielen. Auch hier gilt die Norm, dass alle beteiligten Schüler sich zur Situation äußern sollen und die Lehrperson keine voreiligen Entscheidungen treffen soll, solange sie sich nicht die Sichtweisen aller beteiligten Personen angehört hat und genauer über das Problem Bescheid weiß.

Nun komme ich zu meinen Lösungen bzw. Handlungsalternativen. Dabei habe ich die unterschiedlichen Wahrnehmungen der am Vorfall beteiligten Personen berücksichtigt. Die eine Lösung zu finden, ist nicht möglich, da die Ansichten und Positionen der beteiligten Personen unterschiedlich sind und auch aus dem beschriebenen Vorfall zum Beispiel nicht deutlich wird, welche Charaktere die Mädchen und auch Mikel haben. Sind die Mädchen eher schüchtern oder nicht? Nervt Mikel die Mädchen wirklich oder ist er eigentlich ein zurückhaltender Junge, der am Fangspiel teilnehmen möchte? Dies sind Fragen, die für den Leser offen bleiben und somit bei den Lösungsansätzen und Handlungsalternativen mit berücksichtigt werden müssen. Deshalb werde ich nun Konfliktlösungen vorstellen, die meiner Meinung nach "gut genug" sind und keine Seite zum Verlierer machen.
Nachdem die Klassenlehrerin das Geschehen von vornherein beobachtet, könnte sie direkt, als Mikel zur Gruppe hinzustößt auf präventiver Ebene handeln, wenn sie weiß, dass die Teilnahme von Mikel auf jeden Fall zum Problem wird. Diese Version halte ich jedoch nicht für sehr sinnvoll. Es könnte auch gerade dadurch ein Problem entstehen, dass die Lehrerin zu früh eingreift, obwohl noch nichts vorgefallen ist. Eine Alternative dazu wäre, dass sie erst in die Situation eingreift, kurz nachdem der Streit beginnt. Als Klassenlehrerin kennt sie die Kinder und könnte wissen, warum dieser Streit auftritt und dementsprechend reagieren.
Als die Mädchen sich bei der Klassenlehrerin einfinden und auch Mikel in dieser Runde dabeisteht, könnte die Klassenlehrerin das Problem offen ansprechen und sich beide Seiten anhören, um somit das Problem direkt zu lösen und den Fortgang des Fangspiels zu ermöglichen. Dabei ist zu berücksichtigen, dass das Gespräch für Mikel unangenehm werden könnte und er sich eventuell nicht traut, seine Meinung in Anwesenheit der Mädchen zu äußern. Außerdem erscheint es mir schwierig, in Anwesenheit von Mikel die Mädchen nochmals zu fragen, was genau das Problem ist, warum Mikel nicht mitspielen darf. Denn wenn die Antwort wieder ist, dass Mikel doof ist und die Mädchen ihn nicht mögen, könnte Mikel dies zusätzlich verletzen.
Mikel wirkt in dieser Aktion auf mich eher wie ein sensibler Junge, der einfach nur zur Klasse dazugehören möchte. Die Klassenlehrerin müsste zuerst ein Gespräch mit den Mädchen führen und anschließend mit Mikel, sodass beide Seiten die Chance haben, in Ruhe ihre Sicht zu schildern. Im Anschluss daran könnte in einem gemeinsamen Gespräch eine Lösung gefunden werden. Zu erwähnen wäre hierbei noch die Aufsichtspflicht der Klassenlehrerin. Wenn sie sich intensiv in der großen Pause mit den Beteiligten auseinandersetzt, hat sie das restliche Geschehen auf dem Pausenhof womöglich nicht mehr im Blick und verletzt die Aufsichtspflicht. Da sie aber dennoch anwesend ist auf dem Pausenhof und weiterhin zugänglich für andere Schüler, sehe ich es nicht als eine gravierende Nebenfolge, wenn sie auf diese Weise handeln würde.
Nachdem Mikel fragt, warum er nicht mitspielen darf, sollte die Klassenlehrerin meiner Meinung nach anders reagieren. Sie kennt die betroffenen Schüler und hat auch Hintergrundwissen über jeden Einzelnen. Deshalb finde ich ihre Reaktion sehr schwach und wenig aussagekräftig. Vielmehr sollte sie den Schülern klar machen, dass sie das Geschehene verfolgt hat und dass Mikel noch nicht einmal die Chance hatte mitzuspielen. Die Kinder sollten wenigstens einmal probieren, das Fangspiel gemeinsam zu spielen. Gleichzeitig sollte sie auch erwähnen, dass sie weiterhin das Geschehen beobachtet und wenn dann tatsächlich ein Problem auftritt, sie zu ihr kommen können.
Nachdem das Spiel fortgesetzt wird und kurze Zeit später Maria weint, wäre ein weiterer Lösungsvorschlag, dass die Klassenlehrerin der Gruppe vorschlägt, ein anderes Spiel zu spielen, bei dem es nicht gezielt darum geht, dass die Jungen die Mädchen fangen müssen. Als Beispiel wäre hier Treppenfange zu nennen. Auf diese Weise könnten die Mädchen Mikel zum Teil aus dem Weg gehen. Dabei treten für mich jedoch zwei entscheidende Nebenfolgen auf: Zum einen ist eine solche Reaktion aus pädagogischer Sicht nicht vertretbar. Das Problem wäre zwar in dieser Situation zum Teil behoben, aber allgemein würde das Problem in einer der nächsten Pausen wieder auftreten und Mikel würde trotzdem merken, dass er von der Gruppe nicht miteinbezogen wird. Es bliebe somit ein Fragezeichen hinter der Person Mikel. Zum anderen wird den Kindern ihre Freiheit in ihrer Spielentscheidung genommen. Sie spielen in der großen Pause ein selbstgewähltes Spiel und dann sollen sie den Rat der Aufsichtsperson annehmen. Da es sich aber nicht um eine Sportstunde handelt, sondern um eine Pausensituation, in der es das Ziel sein sollte, dass die Schüler selbstständig sind und ihre eigenen Spiele inszenieren, wäre dieser Lösungsansatz nicht richtig.
Eine weitere Handlungsalternative, nachdem sich die Mädchen das zweite Mal beschwert haben, wäre, dass die Klassenlehrerin gleich ein Gespräch nur mit den zwei Hauptbetroffenen, Maria und Mikel, führt. Vielleicht ist es doch nicht so schlimm, dass Mikel dabei ist. Die Klassenlehrerin bekommt mehr Wissen über das Problem, wenn sie nur mit den beiden redet und nicht auch noch die anderen Mädchen mit einbezieht. Da es am Ende des Vorfalls auch nur Maria betrifft, halte ich es für angemessener, das Gespräch unter sechs Augen zu führen. Wenn die Lehrerin allerdings weiß, dass Maria ein schüchternes Mädchen ist und sich nicht trauen würde, in Anwesenheit von Mikel ihre Probleme zu äußern, sollte die Lehrerin zuerst ein Gespräch mit Maria führen. Dadurch hat Maria die Gelegenheit, ihre Probleme, falls es ernsthaft welche gibt, der Klassenlehrerin anzuvertrauen und diese kann dann entsprechend reagieren. Genauso sollte Mikel die Chance haben, mit der Klassenlehrerin unter vier Augen zu reden. Auch hier geht wieder die Nebenfolge einher, dass die Aufsichtspflicht in einem gewissen Rahmen verletzt wird.
Eine Lösung, die nur durch die Handlung von Mikel auftreten kann, ist, dass Mikel sich der Situation entzieht und es akzeptiert, dass die Mädchen ihn nicht mitspielen lassen wollen. So wäre das Problem beseitigt, nur nicht zufriedenstellend für Mikel und auch für einen guten Zusammenhalt dieser vierten Klasse alles andere als positiv. Die Mädchen wären somit zufrieden, aber Mikel könnte noch mehr unter dem Ausschluss aus der Gruppe leiden und dies könnte weitere Probleme nach sich ziehen.
Des Weiteren könnte die Lehrerin Mikel zur Seite nehmen und ihn darum bitten, bei einer anderen Gruppe mitzuspielen. Dabei sollte ihm aber unbedingt deutlich gemacht werden, dass das Problem auf diese Art nicht gelöst ist, es aber schwierig sein würde, noch in dieser großen Pause eine Lösung zu finden. Bei diesem Vorgehen wird die Ausgrenzung von Mikel als Nebenfolge sichtbar. Auch das Problem, dass Mikel nicht versteht, warum er nicht mitspielen darf, bleibt bestehen. Nur das Problem der Mädchen ist dadurch gelöst. Um diese beiden Nebenfolgen zu beseitigen, halte ich es für sinnvoll, dass die Klassenlehrerin in ihrer nächsten Unterrichtsstunde mit ihrer Klasse einen Klassenrat einberuft. Es bietet sich außerdem ein Klassenrat an, da die Betroffenen alle aus derselben Klasse stammen und die Klassenlehrerin eine ihrer Unterrichtsstunden für diesen Vorfall sicherlich entbehren kann. So müsste die Klassenlehrerin den Konflikt nicht in der Pause lösen und das Problem der Aufsichtspflicht wäre auch aufgehoben. Zuerst sollte sie Mikel aber klar machen, nachdem sie ihm geraten hat, diese Pause mit anderen Kindern zu verbringen, dass sie das Problem nochmals in der Klasse ansprechen wird und es für die Zukunft eine Lösung geben wird. Mikel soll auf keinen Fall das Gefühl bekommen, dass er ungerecht behandelt wird oder die Klassenlehrerin ihn nicht wertschätzt. Was den Klassenrat angeht, ist es wichtig, dass die Klasse weiß, welche Regeln bei einem Klassenrat gelten. Diese sollten zuvor in der Klasse besprochen werden. In solch einer Sitzung ist es wichtig, dass die Probleme aller ernst genommen werden und jeder seine Anliegen nennt, ohne einen anderen abzuwerten. In diesem speziellen Fall trägt die Verlagerung der Konfliktlösung vom Pausenhof ins Klassenzimmer dazu bei, dass die Schüler nicht mehr so aufgewühlt sind. Jeder kann sein Problem in Ruhe darstellen, denn ein Klassenrat bietet Zeit und Raum für ein Konfliktgespräch. Meiner Meinung nach lässt sich so das Problem am besten beheben, auch wenn die Gefahr besteht, dass Mikel sich nicht wohlfühlt, weil die ganze Klasse an der Sitzung teilnimmt. Die Lehrerin könnte Mikel im Voraus in einem Einzelgespräch fragen, ob er das möchte oder ob zuvor nochmal ein Gespräch nur mit den Betroffenen stattfinden soll.
Da alle Betroffenen aus einer Klasse sind und es auch das letzte gemeinsame Jahr an der Grundschule ist, ist es von großer Bedeutung, dass das Problem in der gesamten Klasse offen angesprochen und gelöst wird. Bei den Lösungsvorschlägen der Schüler ist darauf zu achten, dass sie kritisch befragt werden, d.h. was spricht für bzw. gegen die einzelne Lösung, und dass die Vorschläge der SchülerInnen von der Lehrperson nicht abgewertet werden. Meiner Meinung nach verbessert sich so das Klassenklima. Damit meine ich den Zusammenhalt, den gegenseitigen Respekt, Gerechtigkeit, Fürsorge und den Ausbau der Mitbestimmung in der Klasse. Obendrein fördert der Kommunikationsprozess, der bei solch einem Klassenrat stattfindet, die soziale Kompetenz der SchülerInnen für ihr weiteres (Schul-)leben. Es soll außerdem erreicht werden, dass die Kinder gerne auf ihre Grundschulzeit zurückblicken und sich in ihrer neuen Klassengemeinschaft gut einbringen können.
Sina Marie Ruess, Studentin Lehramt Primarstufe, PH Freiburg