Fall Nr. 503

 

Spielerisches Training der Schnelligkeit und Reaktionsfähigkeit

Stufe: Sekundarstufe I
Bewegungsfeld: Laufen, Springen, Werfen
Disziplin/Sportart: Spielerisches Training
Textsorte: Didaktischer Text

Fallbeschreibung:

Ausgangslage
Es handelt sich in diesem Fallbeispiel um eine 2. Klasse der Sekundarstufe 1. Wenn die Klasse vollständig ist, sind 19 Mädchen im Sportunterricht anwesend. Die sportlichen Interessen sind sehr unterschiedlich und bei Freiwahlstunden gibt es dauernd zeitraubende Diskussionen. Die Klasse ist sehr heterogen. Während Mädchen mit Vereinserfahrungen die meisten Aufgaben ohne Mühe bewältigen, scheitern einige wenige Schülerinnen an den leichtesten Aufgaben.
Die Klasse hat bereits seit der 1. Klasse mich als Turnlehrer. Sie wird von einer motivierten Anführerin, die zu den besseren gehört, geleitet. Diese geniesst den Respekt der Mitschülerinnen und hat sich zur linken Hand des Sportlehrers entwickelt. Im nun beginnenden zweiten Schuljahr sind zwei Schülerinnen weggegangen und zwei neue komplettieren die alte Klasse. Eine davon ist Repetierende und physisch ihren Mitschülerinnen total überlegen.
In der zweiten Woche nach den Sommerferien begann das Thema „Schnelligkeit " und sollte die Schülerinnen währen vier Wochen begleiten. Die in der Fallgeschichte beschriebene Einzellektion fand in der dritten Woche statt.


Thema und Ziele der Lektion
Das Thema in dieser Einzelstunde lag darin, spielerisch die Schnelligkeit und Reaktionsfähigkeit zu trainieren. Die Prüfungsangaben wurden in der Woche zuvor besprochen sowie der Prüfungstermin auf die kommende Woche festgelegt. In dieser Stunde sollte der Start (das Beschleunigen) auf unterschiedliche Weise trainiert werden. Mit Hilfe von kleineren Spielen und Wettkampfsituationen sollte dies in die Praxis umgesetzt werden.


Die Fallgeschichte
Die Einzelstunde findet an einem Mittwochmorgen von 9.15-10.00 Uhr statt. Um 9.14 Uhr betrete ich die Turnhalle. 15 der 19 Mädchen sitzen bereits auf dem Mittelkreis. Ein Mädchen ist zum Zeitpunkt der Stunde dispensiert und ein Mädchen ist an diesem Tag krankheitshalber abwesend. Zwei Mädchen seien noch in der Umkleidekabine wird mir mitgeteilt. Es läutet und die Mädchen sind noch nicht in der Halle eingetroffen. Nach kurzem Warten beginnt die Lektion ohne die beiden Spätsünderinnen. Es werden Zweier-Pärchen gebildet, die sich auf der Mittellinie gegenüber liegend aufreihen. Einem der beiden Mädchen wird das Wort „Hase" zugeteilt, während die anderen Mädchen die „Igel" sind. Das Spiel wird kurz erklärt. Ich erzähle eine Geschichte, in der die Wörter „Hase" und „Igel" häufig erwähnt werden. Wird das Wort „Hase" genannt, so müssen die Hasen versuchen bis zu einer Markierung zu rennen ohne dabei von den Igeln berührt zu werden. Dasselbe gilt für die Igel. Nach dem fünften Sprint schleichen die zwei Spätsünderinnen in die Halle und legen sich, ohne etwas zu sagen, wie die anderen gegenüber von einander bei der Mittellinie hin. Bereits die Woche zuvor kamen die beiden zu spät zum Unterricht mit der Ausrede, noch etwas mit der Klassenlehrperson besprochen zu haben. Ich bemerke dies, unterbreche die
Geschichte und fordere alle Schülerinnen auf, sich auf dem Mittelkreis zu versammeln, um bei der Klasse ein Zeichen zu setzen, dass es so nicht weitergehen kann. Die Uhr zeigt 9.23 Uhr an. Ich knöpfe mir die beiden Schülerinnen vor der Klasse vor. Warum sie erst jetzt hier sind und was ihnen einfalle einfach rein zu schleichen, ohne mir kurz Bescheid zu geben. Eine der beiden Spätsünderinnen ist die repetierende Schülerin, die auch sogleich das Wort ergreift. Wir hatten einen Mathe-Test und bei uns dauerte es etwas länger. Daraufhin erwidert die Klassenanführerin: „Das stimmt doch gar nicht, ihr habt in der Garderobe mit dem Handy gespielt." Diese Aussage führt zu einer lautstarken Diskussion unter den beiden Spätsünderinnen und der Klassenanführerin, die ich nach kurzer Zeit unterbreche. Ich frage nochmals die Spätsünderinnen, ob sie einen Test hatten oder ob dies gelogen sei. Daraufhin versicherte die repetierende Schülerin, dass dies stimmt und fordert mich auf die Mathelehrperson zu fragen. Ich versichere den beiden, dass ich dies machen werde und drohe bei einer allfälligen Lüge mit einer Arreststunde. Die Uhr zeigt 9.30 Uhr, als die Mädchen sich wieder für das Hasen-Igel-Spiel aufstellen. Wie sich nach kurzer Zeit herausstellt, sorgt das Thema noch für Diskussionsstoff und das Fortfahren der Geschichte wird durch ständiges „Pssst" und „seit mal ruhig" unterbrochen. Zwei Sprints werden noch gemacht, ehe ich die Übung abreche und die Mädchen bitte, sich in einer Reihe an der Wand aufzustellen. Ich sage: „Wenn ihr soviel überschüssige Energie habt zum Reden, dann verwendet die nun fürs Rennen." Ich entschied mich spontan für Linienläufe. Alle Mädchen müssen vier Linien berühren und dazwischen jeweils immer die Wand. Dafür gebe ich ihnen 20 Sekunden Zeit. Schaffen es nicht alle in dieser Zeit, so wird der Lauf wiederholt. Der erste Durchgang wird durch mein Kommando gestartet und alle Mädchen rennen los. Die eine Spätsünderin hingegen läuft in einem gemütlichen Tempo zur ersten Linie. Als ich den Countdown der letzten fünf Sekunden starte, sind bereits alle anderen im Ziel angekommen. Atemringend und geärgert über das Verhalten der Spätsünderin, fallen erste Beschimpfungen. lch ignoriere diese und fordere alle Schülerinnen auf, sich für einen weiteren Durchgang bereit zu machen, da es leider nicht alle rechtzeitig ins Ziel geschafft haben. Im zweiten Durchgang verhält sich die Spätsünderin genau gleich. Daraufhin sage ich zu ihr: „Von mir aus können wir dies die ganze Stunde machen." Ihr Verhalten sei kindisch und asozial den anderen gegenüber. Ich füge noch hinzu, dass die letzte Person, die das Ziel erreicht, eine Strafaufgabe erledigen muss. Der dritte Durchgang startet und diesmal rennen alle los. Die Spätsünderin ist eine der ersten, die das Ziel erreicht und lacht das Mädchen aus, welches als letztes ins Ziel rennt. Daraufhin beschliesse ich die Strafe wegzulassen, woraufhin die Spätsünderin antwortet: „Das ist aber unfair." Auf diese Antwort gehe ich nicht ein und versuche die Klasse wieder unter Kontrolle zu kriegen.
Die Klasse spielt sehr gerne "Zombievölki" und dieses Wissen nutze ich aus für mein weiteres Vorgehen. Ich schlage den Mädchen vor: „Wenn ihr bei der nächsten Übung gut mitmacht, dann spielen wir am Schluss noch "Zombievölki!"

Die nächste Übung lautet "Kutschenfangis", bei welchem zwei Gruppen benötigt werden. Die Gruppen können Sie selbständig wählen. Während ein Mädchen, mit einem Theraband um die Hüfte, versucht ein gegnerisches Mädchen zu fangen, wird es selbst von einem gegnerischen Mädchen, zurückgehalten. Dabei wird die Zeit gestoppt, wie lange eine Gruppe benötigt um alle gegnerischen Mädchen zu fangen. Die Zuteilung der Fänger-Paare dauert eine kurze Weile, bis dann das Spiel losgehen kann. Es dauert ca. fünf Minuten, dann hat die erste Gruppe alle gegnerischen Leute gefangen. Danach werden die Fänger zu Gejagten und umgekehrt. Nach ca. einer Minute gibt es einen lauten Knall und ein Mädchen ist am Weinen. Ich gehe zu ihr hin und frage, was passiert sei. Sie erklärt mir, dass ihre Mitschülerin das Theraband extra losgelassen hat und sie davon getroffen wurde. Alle Mädchen versammeln sich besorgt um uns. lch breche das Spiel ab und gehe mit der Verletzten Person ins Sanitätszimmer, um die betroffene Stelle zu kühlen. Den anderen Schülerinnen gebe ich den Auftrag zum Abschluss das „Zombievölki" zu spielen. Das Abschlussspiel läuft gut und die Stunde geht normal zu Ende.

Es stellte sich im Nachhinein heraus, dass die Spätsünderinnen keinen Test hatten. Sie mussten beide eine Stunde in den Arrest.