Fall Nr. 590

 

Trainieren wie im Verein

Schlüsselsatz: «Hey… könnt ihr bitte wenigstens so tun, als würdet ihr mitmachen?!» Disziplin/Sportart: Geräteturnen
Stufe: Sekundarstufe I
Bewegungsfeld: Bewegen an Geräten
Inhalte präsentieren: Üben und Trainieren
Mit Schüler*innen interagieren: Differenzieren und Individualisieren

Fallbeschreibung:

a) Es ist die wöchentliche Frühsportlektion der Lerngruppe 1 der Oberstufe. Die Jugendlichen kommen aus 3 verschiedenen umliegenden Gemeinden zu diesem Schulstandort, darunter manche, die mit dem Fahrrad/E-Scooter, mit dem Bus oder zu Fuss den Schulweg bewältigen.
b) Der Schwerpunkt der Lektion scheint das Bewegen an Geräten zu sein. Die Lehrperson hat vor der Lektion bereits einen Grossteil der Geräte in der Halle aufgebaut, damit die kurze Einzellektion möglichst von Schüler:innen-Seite genutzt werden kann. In der kleinen Mehrzweckhalle, die dem Sportunterricht zur Verfügung steht, findet man zwei aufgebaute Recke in verschiedenen Höhen, zwei lange Bodenmatten für das Bodenturnen und zwei Barren. Alle Geräte sind schon mit den nötigen Matten gesichert. Da die Halle wirklich nicht besonders gross ist nehmen diese Aufbauten einen grossen Teil der Gesamtfläche ein.
c) Die Lektion beginnt um 7.40 Uhr. Kurz vorher laufen die ersten Schüler:innen ein. Den Jugendlichen sieht man an, dass diese frühe Uhrzeit ihnen ziemlich zu tut. Manche machen den Eindruck, als hätte es zwischen dem Aufstehen und dem Eintritt in die Halle keinen allzu grossen Aufwachzeitraum gegeben. Insgesamt schafft es nur die Hälfte der Lerngruppe pünktlich um 7.40 Uhr umgezogen in der Halle zu stehen. Eine Schülerin schafft es gerade noch so, pünktlich einzutreten, jedoch ist die Schülerin nicht umgezogen. Sie geht auf die Lehrperson zu, um ihr zu erklären, weshalb Sie an der Turnstunde nicht teilnehmen kann. Sie sei auf dem Weg zur Schule gestolpert und gestürzt und hätte jetzt Schmerzen. Auf die Frage, ob denn die Schülerin ihr Sportzeug dabeihätte, scheint sie keine zufrieden stellende Antwort geben zu können, so entsteht eine Diskussion. Die Lehrperson unterstellt der Schülerin, dass sie ihr Sportzeug vergessen hätte, bzw. mit Absicht daheim gelassen hätte, damit sie nicht mitmachen muss. Die Lehrperson verwickelt sich in eine Diskussion mit der Schülerin. Während dessen treten noch ein paar Schüler:innen in die Halle ein.
d) Obwohl, der offizielle Anfang der Lektion bereits vorbei ist, laufen immer noch Schüler:innen ein. Die Lektion läuft seit fast 5 Minuten und die Lehrperson konnte noch keinen geregelten Einstieg in die Lektion gemacht. Wahrscheinlich wartet die Lehrperson ab, bis der Rest der Gruppe anwesend ist. Alle Schüler:innen stehen herum, oder sitzen an der Heizung, da die Mehrzweckhalle chronisch unterkühlt ist. Die Lehrperson fragt eine Gruppe von Schüler:innen, wo der Rest der Gruppe bleibe. Die Schüler:innen erklären der Lehrperson, dass es eine Baustelle gäbe, weshalb der Bus zum Teil 5-10 Minuten Verzögerung hätte und somit zum Teil erst nach 7.40 Uhr ankäme.
e) Um 7.46 Uhr ruft die Lehrperson die anwesenden Schüler:innen zusammen, um zu starten. Die Lehrperson erklärt der Gruppe, was in der Lektion ansteht. «Heute fangen wir an mit der Trainingsphase für die Prüfung. Stellt euch vor, ihr seid in einem Turnverein und bereitet euch auf einen Wettkampf vor.» Einige Schüler:innen drücken ihr Missfallen über diese Info in non-verbaler Form aus. Es ist enttäuschtes Seufzen zu vernehmen. Die Lehrperson fährt fort: «Wir wärmen uns kurz, aber intensiv auf, damit wir dann möglichst viel Zeit zum Üben haben. Wir fangen an mit einem kurzen Einlaufen. Lauft bitte nicht über die Geräte und passt ein bisschen auf. So, auf gehts.» Die Schüler:innen setzen sich etwas schwerfällig in Bewegung. Beim Einlaufen machen ein paar Schüler:innen nicht so richtig mit, bleiben immer wieder stehen bzw. spazieren anstatt zu joggen. Die Lehrperson weist die Schüler:innen immer wieder darauf hin mitzumachen. Währenddessen kommen die letzten Schüler:innen aus der Umkleide in die Halle. Die Lehrperson spricht die letzten Schüler:innen nicht auf ihr Zuspätkommen an.
f) Die Lehrperson ruft die Gruppe zusammen: «Nun, bevor ihr mit euren Übungen anfangt, ist es wichtig, dass sich jeder von euch noch individuell die Gelenke mobilisiert und aufwärmt. Danach verteilt ihr euch auf die verschiedenen Geräte und turnt eure Übungen und Figuren.» Die Lehrperson erwähnt beiläufig noch die laminierten Infoblätter, die sie an jedem Gerät ausgelegt hat. Auf diesen Blättern sind Reihenbilder von möglichen Bewegungen/Figuren für das jeweilige Gerät dargestellt.
g) Die Schüler:innen-Gruppe verteilt sich auf die verschiedenen Geräte. Ein Teil der Schüler:innen scheint zu wissen, was sie machen wollen. Einige fangen direkt an zu turnen, einige werfen erst einen Blick auf die Infoblätter mit den Übungen. Eine Gruppe von Schülern scheint sich ein bisschen vom Geschehen entfernt zu haben und scheint inaktiv, bzw. in Privatgespräche verwickelt. Die Lehrperson kümmert sich nicht darum, sondern beschäftigt sich mit den Schüler:innen, die bereits Fragen haben oder Hilfe brauchen und deswegen auf die Lehrperson aktiv zugegangen sind.
h) Erst nachdem diese Schüler:innen versorgt sind und etwa die Hälfte der Lektion vorbei ist, kümmert sich die Lehrperson um die inaktiven Schüler:innen. «Hey… könnt ihr bitte wenigstens so tun, als würdet ihr mitmachen?!» Es folgt ein unverständlicher Kommentar von einem der Schüler:innen. Die Lehrperson entgegnet ihnen: «Ihr wisst, ihr müsst diese Prüfung genauso ablegen, wie alle anderen auch! Ihr seid selber schuld, wenn ihr eure Trainingszeit nicht effektiv nutzt.» Darauf wendet sich die Lehrperson wieder von der Gruppe ab und geht zu anderen Schüler:innen-Gruppen, um zu diese zu begleiten.
i) Die inaktiven Jungen machen kurz den Anschein, als würden sie die Aufgabe angehen wollen, jedoch probieren sie nur ein paar wenige Übungen am Boden zu turnen, bevor sie sich wieder in Gespräche verwickeln. Die Lehrperson ist mit anderen Schüler:innen beschäftigt, welche die Aufmerksamkeit von der Lehrperson verlangen (Hilfestellung-en, Tipps, Feedback, oder ähnlich). Zwischendurch geht noch ein weiterer, etwas angespannter wirkender (Intonation) Kommentar von der Lehrperson an die inaktive Gruppe von Schülern. Dies verändert am Verhalten der Inaktiven nichts.
j) Die Lektion neigt sich dem Ende zu. Ein Grossteil der Schüler:innen scheint diese Lektion mehr oder weniger effektiv genutzt zu haben. Es geht nun um das Abbauen der Geräte, was zügig passieren muss, weil die nächste Sportgruppe bereits vor der Tür wartet. Die Lehrperson spricht direkt die Schüler:innen-Gruppe an, welche in dieser Lektion nicht gut mitgemacht hat und weist die Schüler:innen an, der Lehrperson beim Abbau zu helfen. Die restlichen Schüler:innen werden schon entlassen: «Die, die gut mitgemacht haben, können jetzt schon gehen, damit ihr Zeit habt. Ihr habt euch ja schliesslich angestrengt und geschwitzt.»
k) Der Protest von der Seite der Abbau-Gruppe ist sehr stark vernehmbar. Die Lehrperson besteht vehement darauf, dass die Gruppe das jetzt machen muss, damit «sie wenigstens irgendetwas gemacht haben». Unter anhaltendem Protest helfen die Schüler:innen die Geräte zu versorgen. Die Stimmung zwischen der Lehrperson und der verbleibenden Gruppe scheint sehr angespannt. Ohne weitere Worte verlassen die Schüler:innen und die Lehrperson die Mehrzweckhalle.