Fall Nr. 563

 

Tschoukball

Stufe: Sekundarstufe I
Disziplin/Sportart: Tschoukball
Textsorte: Didaktischer Text

Fallbeschreibung:

Die Unterrichtseinheit findet in einer 8. Sekundarschulklasse statt. Es handelt sich bei der Sportklasse um Knaben aus zwei niveauverschiedenen Klassen (Niveau A und Niveau E). Aus der Niveau E Klasse sind zwei Knaben dabei, mit einem besonders geringen IQ (Integrationsklasse). Diese beiden Knaben haben dadurch oft Schwierigkeiten, die erteilten Aufgaben oder die erklärten Abläufe zu verstehen. Weiter ist zu erwähnen, dass das sportliche Niveau der Klasse sehr heterogen ist.
Die Klasse lernt im aktuellen Zeitraum unter den Spielsportarten die Sportart Tchoukball kennen. Während der Unterrichtseinheit zuvor wurden die Schüler in die Sportart eingeführt. Mittels TGA-Methode habe ich mit der Klasse ein Tchoukball- ähnliches Spiel entwickelt, über welches wir uns dann Schritt für Schritt einer Endform näherten. Folgende Regeln sind den Schülern vor der Unterrichtseinheit also bekannt:
-Ein Punkt wird erzielt, wenn der Mitspieler den Ball fangen kann, nachdem der Ball an die Wand gespielt wird und (oder dem Basketballbrett oder dem Tchouk) abgeprallt ist.
-Nach einem Punkt muss ein anderes Tchouk angespielt werden.
-Die Spieler müssen eine Armlänge Abstand zum Gegner einhalten und dürfen
auch nicht näher ans Tchouk oder zur Wand als ein Meter.
-Der Ballbesitz wechselt, wenn der Ball auf den Boden fällt oder nach einem Punkt.
Mit dem Ball darf man höchstens 4 Schritte laufen.
-Ein Team darf höchstens 4 Pässe machen bis es den Ball gegen die Wand
(oder das Basketballbrett oder das Tchouk) spielt.

Die Unterrichtseinheit findet an einem Montag sehr spät von 16.00 Uhr bis 17.30 Uhr statt. Das Ziel der Einheit ist nun, dass die Schüler eine Endform kennenlernen und spielen können, bei der ein Punkt erzielt wird, wenn der vom Tchouk abgeprallte Ball vom eigenen Team wieder gefangen werden kann. Es bleibt jedoch verboten, die Pässe der Gegner zu unterbinden. Im Weiteren sollen beide Teams auf beide Tchouks spielen dürfen.
Die Schüler erscheinen recht pünktlich und umgezogen in der Halle. Drei Schüler haben ihre Sportkleider vergessen und erscheinen in normaler Kleidung. Weil diese Schüler anschliessend nicht mehr in den Regelunterricht müssen, erlaube ich ihnen die Teilnahme in normaler Kleidung. Wie so oft in diesen späten Lektionen ist die Stimmung sehr lebhaft, weil der ganze Schultag in Punkto Konzentration seine Spuren hinterlassen hat. Dennoch verläuft der Einstieg ansprechend gut. Eine kurze Aufwärmkaskade sowie Kraft- und Koordinationsübungen mit Handbällen werden von den Schülern gut umgesetzt. Die Schüler scheinen also noch genügend Energie für den Sportunterricht übrig zu haben.
Mein Ziel ist es nun, dass sich die Schüler der geplanten Endform durch laufende Regelanpassungen aufgrund entstehender Probleme annähern. Ich teile die Turnhalle in der Hälfte, wodurch zwei Tchouk-Spielfelder entstehen können, sodass die Schüleraktivität höher werden kann. Da es eine sehr leistungs-heterogene Klasse ist, kann ich dadurch auch zwei homogenere Spielsituationen kreieren. Ich teile also die Klasse in die geplanten Spielgruppen ein und sogleich meldet sich ein Schüler zu Wort: «Oha, sie bilden eine gute und eine schlechte Gruppe und teilen mich in die schlechte Gruppe ein! Ich spiele so nicht mit!» Ich reagiere zunächst nicht auf diese Aussage, weil ich sehen will, ob es nur bei der Aussage bleibt. Eine solche Aussage ist aufgrund meiner Gruppeneinteilung zu erwarten, so hätte ich eine Erklärung bereit. Weil der Schüler wiedererwartet in die Gruppe geht, gehe ich nicht weiter auf den Grund für die Gruppeneinteilung ein.
Wir beginnen die beiden Spiele mit der Regelgrundlage der letzten Unterrichtseinheit mit dem Unterschied, dass Punkte erzielt werden können, wenn das Gegnerteam den vom Tchouk kommende Ball nicht fangen kann. Trotz der homogeneren Gruppen sind die Auffälligkeiten in beiden Spielgruppen die ähnlichen. Bei einem eigentlich sehr agilen Spiel erstellt sich eine gewisse Statik. Viele Pässe sind nicht präzise und das Tchouk wird oft verfehlt, nur wenige Schüler sind dazu bereit, sich mehr zu bewegen um Fehlpässe zu kompensieren oder sich freizulaufen. Die Pässe und Schüsse müssen jedoch möglichst stark sein! Der Schüler welcher mit der Gruppeneinteilung nicht zufrieden war ist sichtlich ein guter Werfer, er fordert seine Mitspieler immer wieder dazu auf, ihm die Pässe zu zuspielen. Auch für ihn ist es aber kein Thema, sich dafür mehr freizulaufen. Mehrere Schüler in beiden Spielgruppen beginnen sich ähnlich zu äussern und zu verhalten.
Ein Problem ist vorhanden also diskutieren wir gemeinsam Regeländerungen, welche diesem Problem entgegenwirken könnten. Die Schüler entscheiden sich für folgende Anpassungen: Pässe dürfen nicht unterbunden werden und beide Teams können auf beide Tchouks werfen um Punkte zu erzielen.
Bei wiederaufnehmen des Spielbetriebs stellen sich nach nur kurzer Zeit die gleichen Probleme ein. Das Bestreben genauer zu Werfen und vor allem sich mehr zu bewegen ist nicht da. Die Situation wird zunehmend Statisch und Langeweile beginnt sich breit zu machen. Ein Schüler meldet sich: «Das ist einfach langweilig!» Natürlich wird seine Äusserung von einigen Mitschüler bestätigt. Also versuchen wir wieder gemeinsam die Regeln für eine Verbesserung anzupassen. Dieses Mal einigt sich die Klasse darauf, das Unterbinden der Pässe wieder zu erlauben. Auch diese Regeländerung hat auf den darauffolgenden Spielbetrieb kaum Einfluss. Die positive Spannung zu Beginn der Lektion ist völlig weg.
Ich entscheide mich dafür, den Spielbetrieb früher als geplant zu beenden, um Zeit dafür zu gewinnen, mit den Schülern am Werfen zu arbeiten. Diese Übungssequenz ist eigentlich für später angesetzt, ich habe aber das Bedürfnis an der Situation etwas zu ändern.
Die Schülersituation ist in allen Teilübungen ähnlich. Zu Beginn wird die Übung gut ausgeführt mit einem rapiden Aufmerksamkeitsabfall nach jeweils 3-5 Minuten. Pässe und Zielwürfe müssen jeweils plötzlich möglichst hart und spektakulär sein. Es gibt keine kritischen Wortmeldungen aber das Verhalten spricht für sich. Die Aufmerksamkeit ist weg und die Handlungen haben etwas leicht Destruktives.
Im letzten Unterrichtsabschnitt ist dann wieder eine Spielsequenz vorgesehen. Die Schüler können ein kleines Tchoukball-Turnier spielen. Es werden dieses Mal drei heterogene Mannschaften gebildet und anschliessend nach den letzten gesetzten Regeln auf Grossfeld gespielt.
Die Aktivität und der Spieleifer sind nun auf den ersten Blick grösser. Trotz vielen Unterbrüchen mit Regelklärungen scheinen tolle Spielsituationen zu entstehen. Bei genauerer Betrachtung fällt aber auf, dass hauptsächlich die leistungsstarken Schüler spielen und die leistungsschwächeren darin bestrebt sind, den starken Schülern nicht im Weg zu sein. Kritische Bemerkungen entstehen dennoch keine!
Nach Abschluss des Spielturniers schliesse ich den Unterricht pünktlich ab.