Fall Nr. 64

 

Überforderung

Stufe: Sekundarstufe II
Bewegungsfeld: Spielen
Disziplin/Sportart: Unihockey
Inhalte präsentieren: Erklären | Üben und Trainieren
Textsorte: Chronik

Fallbeschreibung:

Die Unihockeylektion
Vorangehend zu der eigentlichen Lektion muss ich einige Informationen geben, die für das Verständnis meines Problems wichtig sind. Aufgrund meiner Erfahrung als Unihockeyspieler und weil viele Sportlehrer nie eine Unihockeyausbildung hatten, wurde ich in diesem Praktikum dazu ermuntert meine Sportart einzuführen und vorzustellen. Weiter kam der Umstand dazu, dass ich die Praktikumsklasse bereits aus dem Skilager kannte. Deshalb einigten sich die begleitende Sportlehrerin und ich darauf mein Praktika mit den Mädchen dieser Klasse durchzuführen.
So geriet bereits die Präparation dieser Lektion teilweise aus dem üblichen Rahmen herauszufallen, da ich dachte, dass mir der Unihockeyteil problemlos gelingen würde auch ohne tiefere Gedanken. Da ich bereits die Jüngsten unseres Vereins mittrainiert hatte, schienen mir die möglichen Probleme bereits bekannt. Zudem erwartete ich von den Gymnasiastinnen bereits eine Basis des Unihockeywissens gekoppelt mit der allgemeinen Sporterfahrung und Intelligenz.
Wie aus meinem Beschrieb bisher zu erkennen ist, trafen wohl mehrere Erwartungen nicht zu. Als teilweise positiver Punkt stellte sich nur meine vorgängige Kenntnis der Klasse heraus. So konnte ich bereits viel mehr persönliche Korrekturen und Tipps anbringen. Jedoch litt auch die Disziplin einwenig unter dem Umstand des gegenseitigen Kennens indem der Umgangston beispielsweise etwas lockerer war als üblich. Gerade weil ich die Klasse vom Skilager her kannte, erwarteten auch die Mädchen die Atmosphäre, die wir im Lager hatten. Ich hatte während dem gesamten Praktikum immer wieder einzelne Ausfälle der Disziplin einiger Mädchen, die definitiv auf dieses erwartete kollegiale Unterrichten zurückzuführen sind. Dies bestätigte mir auch die Praktikumslehrerin und dies ist ein ganz natürliches und dementsprechend zu erwartendes Problem. Jeder mögliche Vorteil bringt irgendwo auch einen Nachteil mit.
Ein weiterer Grund für die misslungene Lektion scheint der Aufwärmteil gewesen zu sein. Wir tanzten zum ersten Mal zu HipHop Musik. Und um sich darauf einzustimmen liess ich die Mädchen sich frei zur Musik zu bewegen, um den Rhythmus zu spüren. Da nahm bereits die Disziplin ein erstes Mal ab, zudem waren die Mädchen etwas schüchtern und verdrückten sich in die Ecken. Und in einer solchen Situation bereits mit harten Massnahmen zu drohen oder sogar einzugreifen schien mir unangebracht. Wir tanzten uns warm, wobei ich etwas Ansehen zurückgewinnen konnte, da die Mädchen gerne tanzten und mir dieser Teil weiter ziemlich gut gelang und ich so etwas Respekt zurückholte.
Die Gymnastik, die auf das Spiel ausgerichtet war wurde befriedigend durchgeführt, aber von mir wohl etwas schlecht kommuniziert, da es als ein notweniges Übel abgespult wurde.
Weiter auf dem Programm standen einige Schnelligkeitsübungen, die zum Teil sehr gut funktionierten, aber die zum Teil auch die Schülerinnen überforderten. Gerade bei solchen Übungen ist Einfachheit der wichtigste Punkt, denn Schnelligkeit verlangt 100% Engagement und da stören unnötige Überlegungen, die Übungen kompliziert machen. Bestimmt ist eine spielerische Form angebracht, aber da besteht auch die Gefahr, dass die Übung locker ausgeführt wird und nicht den gewünschten Effekt bringt.
Schliesslich gelangten wir zum Unihockeyspiel. Wenn auch nicht sehr gutes, so war Material hier im Gegensatz zu einigen Schulen genügend vorhanden. Alle Schülerinnen hatten einen Stock und einen Ball. Doch fiel mir auf, dass ein Mädchen Stock hatte, bei welchem die Schaufel in die falsche Richtung gebogen war. Es dauerte ziemlich lange, bis ich ihr weis gemacht hatte, dass dieser Umstand für sie ein Nachteil war. Dieses Problem war mir noch nie begegnet, nicht einmal bei den jüngsten Junioren. So war meine Erklärung wohl auch nicht überzeugend, denn das Mädchen schien diese kopfschüttelnd zu akzeptieren. Nun stellten sie sich zu zweit vis-à-vis auf um miteinander das Passspiel zu üben. Leider war eine ungerade Anzahl Schülerinnen anwesend, was dazu führte, dass ich selbst mitmachte. Für mich stellte es kein Problem dar mitzumachen, obwohl mir so die Möglichkeit entfiel, den Rest der Klasse zu kontrollieren. Für die nächste Übung konnte ich mich wieder auf die Übungsleiterfunktion konzentrieren. Dies war auch notwendig! Die Mädchen blieben vis-à-vis voneinander stehen, doch sollte der Ball nun von einem Tor aus startend im Zickzack zum anderen Tor gespielt werden. Also jede zweite Spielerin sollte einen Ball erhalten und weiterspielen. Gleichzeitig sollte die letzte Spielerin den Ball nehmen und wieder von vorne beginnen und die restlichen Spielerinnen die Position der Nachbarin einnehmen, so dass alle Positionen immer besetzt waren. Dass die Pässe noch nicht gelangen schien in dieser Übung noch das kleinste Problem zu sein. Die Übung überforderte alle, die Schülerinnen wie auch mich. Um alle Spielerinnen immer zu beschäftigen sollten immer zwei Bälle im Spiel sein, wem aber der Ball zugespielt werden sollte, war nie klar. Ich musste etwa alle 20 Sekunden korrigierend eingreifen, was dazu führte, dass die Übung noch weniger gut oder eigentlich nie funktionierte. Dazu kam, dass die Schülerinnen nur herumstanden und mich ungläubig anschauten. Ich wusste weder ein noch aus, bis ich die Übung für beendet erklärte. Da ich glaubte, dass diese Übung eigentlich problemlos funktionieren sollte, verstand ich die Überforderung nicht und gab innerlich den Schülerinnen die Schuld für diesen Misserfolg und sie spürten dies bestimmt. Ich muss hier noch anmerken, dass ich diese Übung selbst für diese Lektion erfunden hatte, also noch nie in der Praxis angewendet hatte und bisher auch nie wieder anwendete.
Schliesslich spielten die Schülerinnen bis zum Ende der Lektion. Aber sie spielten so Unihockey wie sie es von mir gelernt hatten, nämlich ziemlich chaotisch. Auch war ich wohl als Schiedsrichter sehr demotivierend, da ich nur noch an diese Übung dachte und Unihockey innerlich in dieser Klasse als gestorben betrachtete. Und auch während den weiteren Praktikumslektionen schien, als ob ich der Klasse dieses Spiel verdorben hatte. Und dies gerade in meiner Sportart, die mir so einfach und schulgerecht schien. Ich war da angelangt, wo ich mir nicht einmal in den Träumen hätte vorstellen können hinzukommen.
Auch in der Lektionsbesprechung kam natürlich dieses Problem zur Sprache, aber die Praktikumslehrerin motivierte mich und machte mir wieder Mut, wofür ich sehr dankbar war. Ich schwor mir, dass mir dies nie wieder passieren sollte. Ich hatte für mich sehr viel von dieser Praktikumslektion gelernt. Denn man lernt von Fehlern mehr als von dem was einem ohne grosse Schwierigkeiten gelingt.